Auf der Suche nach Peter Hartz
Dokumentarfilm, 45 und 90 Min.
Produktion: ECO Media TV in Zusammenarbeit mit HMR Produktion im Auftrag des SWR, WDR und 3Sat, gefördert von der Filmstiftung NRW
Buch/Regie: | Lutz Hachmeister | ||
Regieassistenz: | Hermance Grémion | ||
Kamera: | Thomas Schäfer, Dirk Wojcik, Hajo Schomerus | ||
Redaktion: | Thomas Michel, Mathias Werth, Martin Rupps | ||
Schnitt: | Thomas Wellmann | ||
Ton: | David Finn, Stavros Charitidis | ||
Sprecher: | Bernt Hahn |
Erstausstrahlung: 14. November 2011, ARD
Wiederholung: 15. November 2011 (3sat), 10. Januar 2012 (3sat), 1. Mai 2012 (ARD)
Nominiert für den Grimme-Preis in der Kategorie Beste Dokumentation 2012
Inhalt
Jeder kennt Hartz. Aus den Nachrichten, vom Stammtisch und – mit etwas Pech – vom Arbeitsamt. Kein anderer Name steht so sehr für die jüngste deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Peter Hartz löste mit seiner Kommission die größte Arbeitsmarktreform in der Geschichte der Bundesrepublik aus. Als Top-Manager bei VW trug er die Verantwortung für 340.000 Arbeitsplätze. Aber Hartz war darüber hinaus bekannt, umstritten, eine Reizfigur. Er eignete sich als Projektionsfläche für viele Ängste: vor der Globalisierung und vor dem sozialen Absturz, vor selbstherrlichen Managern, vor Filz in der Wirtschaft, vor einer "Sozialdemokratie ohne Herz". 2005 wurde er zum Buhmann der Nation, als er im Zug der VW-Affäre als Vorstand zurücktreten musste.
Doch wer ist Peter Hartz wirklich? Welcher Mensch steckt hinter dem Schlagwort? Er hat sich seit Jahren nicht mehr geäußert, trotz zahlreicher Anfragen. Peter Hartz, den immer noch die Frage nach der Zukunft unserer Arbeit umtreibt, zieht in dieser Dokumentation Bilanz eines Lebens, dass deutsche Geschichte widerspiegelt. Zum ersten Mal wird er in einer großen Fernsehdokumentation Stellung beziehen, Missverständnisse aufklären, auch über tiefe Verletzungen sprechen. Der Film von Lutz Hachmeister zeichnet das Leben eines Mannes nach, der auf spektakuläre Weise seinen Namen an die Gesellschaft verlor.
Pressestimmen
Lutz Hachmeisters Doku ‚Auf der Suche nach Peter Hartz’ (…) ist auch als weitere Facette der Debatte um Christian Wulff lehrreich. Hartz war schließlich Arbeitsdirektor bei VW und hielt als Einziger für den Korruptionsskandal und die "Landschaftspflege" bei Betriebsräten inklusive Lustreisen den Kopf hin, während der Rest des Vorstands von rein gar nichts gewusst haben wollte. Die Empörung war 2005/2006 groß. Und mit als Erster saß derjenige als niedersächsischer Ministerpräsident auf dem Zaun, der qua Amt automatisch VW-Aufsichtsrat ist: ‚Die, die sich etwas zu Schulden kommen haben lassen, werden ihre Plätze räumen’, gibt Wulff den Aufräumer. Er erläutert auch die innige Verbindung zu seinem mittlerweile geschassten Sprecher und Intimus Olaf Glaeseker. Der sei bei Journalisten beliebt, weil er "die Wahrheit" und ab und zu auch "gar nichts" sage, statt sie für dumm zu verkaufen. Glaeseker sei ‚verlässlich und zuverlässig’ und ‚deshalb passt er ja so gut zu mir’, sagt Wulff.
(die tageszeitung, 10.01.2012)
Von allen Saarländern, die die deutsche Geschichte verändern wollten, ist es nur einem gelungen - und den hat man vergessen. Es ist nicht Oskar, der gerade sein x-tes Comeback feiert und so seinen x-ten Rücktritt vorbereitet. Lafontaine dürfte nach all seinen dramatischen Abschieden nun öfter auf die große Bühne zurückgekehrt sein als Howard Carpendale, muss man auch erstmal schaffen. Und natürlich ist es auch nicht Honecker, dessen völliges Scheitern das größte Glück unserer Geschichte war. Aber man wird bei einer Bewertung der gegenwärtig historischen Lage nicht um Peter Hartz herumkommen. Dies zu zeigen ist der Verdienst einer neuen Dokumentation von Lutz Hachmeister...
(FAZ, 13.11.2011)
Das Schicksal, das ihm nicht erspart blieb, weil er halt heißt, wie er heißt, lastet allerdings auf Peter Hartz. Der Film zeigt seinen Hauptdarsteller als Idealisten mit lauterem Charakter. Kein Wort der Klage kommt über seine Lippen. Den Kommentar übernehmen ehemalige Weggenossen: Dass Schröder die Kommission schuf, um einen Sündenbock zu haben, falls es schief ging. Die Verantwortung war damit raus aus dem Kanzleramt, ein typischer Schröder-Coup. »Jetzt, wo sich der Pulverdampf und alles gelegt hat, ist es schon ungeheuerlich, wie das gespielt wurde«, sagt Hartz. Er wird in dem Film auch zum Opfer politischer Ränke zwischen Niedersachsens damaligem Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und Schröder, zwischen verschiedenen Kraftzentren im VW-Konzern. Als Einziger übernahm er Verantwortung in der Korruptionsaffäre. Wurde auf Bewährung verurteilt. Zu einer Strafe von 576 000 Euro. Ein Hartz-Schicksal der besonderen Art.
(Neues Deutschland, 16.11.2011)
Der traurigste und wahrste Satz dieses Films fällt gleich am Anfang. „Hätt’ ich Leutheusser-Schnarrenberger geheißen, wäre mir dieses Schicksal erspart geblieben", sagt Peter Hartz, der in diesem Jahr 70 Jahre alt geworden ist, ein Mann, der seinen Frieden wieder gefunden zu haben scheint, obwohl sein Name ihm entrissen wurde. Dieser Name führt als technisches Kürzel der Sozialverwaltung, mehr noch aber als Chiffre für ein soziales Milieu längst ein Eigenleben. ‚Leutheusser-Schnarrenberger IV’ hätte nie das Zeug zu einer solchen Karriere gehabt. Kein Abteilungsleiter wäre auf die Idee gekommen, die Körbe, in die die Gesetzesvorhaben zur großen Arbeitsmarktreform der Regierung Schröder von den Beamten der zuständigen Ministerien sortiert wurden, mit einem solchen Namen und römischen Ziffern zu etikettieren. Peter Hartz wirkt in dem Film von Lutz Hachmeister wie einer, der eine lebensbedrohliche Krankheit überstanden hat. Dem sozialen Tod hatte er ja tatsächlich ins Auge gesehen.
(Die Welt, 14.11.2011)