Das Gefängnis. Landsberg und die Entstehung der Republik
Dokumentarfilm, 52 Min.
Produktion: Colonia Media in Kooperation mit dem BR und WDR
Buch/Regie: | Lutz Hachmeister | |
Regieassistenz: | Malika Rabahallah, Christian Wagener | |
Kamera: | Hans Fromm | |
Redaktion: | Beate Schlanstein (WDR), Meggy Steffens (BR) | |
Schnitt: | Guido Krajewski | |
Ton: | Ulla Kösterke | |
Mischung: | Bavaria Production Services | |
Sprecher: | Anne Moll, Walter Renneisen |
Erstausstrahlung: 18. Januar 2002, WDR
Nominiert für den Grimme-Preis 2003
Inhalt
Friedrich Flick, Alfried Krupp, Ernst von Weizsäcker - von 1947 an waren sie im Gefängnis von Landsberg inhaftiert, dem amerikanischen "War Criminal Prison No. 1". Mit ihnen saßen in der oberbayerischen Kreisstadt Wehrmachtsgeneräle, SS-Einsatzgruppenführer, Mediziner und Bankiers ein, ein Spiegelbild der Elite des NS-Staates. Hinzu kamen niedere Chargen und einfache Soldaten, die in den "Dachauer Prozessen" verurteilt worden waren. Die Todeskandidaten mußten rote Jacken tragen. Rund 250 Insassen des Landsberger Kriegsverbrecher-Gefängnisses wurden hingerichtet, die letzten sieben Todesurteile wurden 1951 vollstreckt.
Im Landsberger Gefängnis, wo einst Adolf Hitler große Teile seiner Programmschrift "Mein Kampf" verfaßt hatte, entwickelten die Überlebenden bald neue Netzwerke und trafen Verabredungen für ihre Zukunft in Westdeutschland. Lutz Hachmeister belegt mit seinem Film, wie sehr Landsberg eine Geburtstätte der neuen Bundesrepublik war - eine Parallelwelt zum Parlamentarischen Rat in Bonn. Vom Landsberger Gefängnis aus konnten sich die Industrie-Imperien von Krupp und Flick neu formieren.
Die Insassen des War Criminal Prison, die "Landsberger", galten in der Publizistik weithin als Märtyrer für das Schicksal des Vaterlandes. Dabei lagen in Sichtweite des Gefängnisses noch die Überreste von KZ-Außenlagern, wo gegen Kriegsende mehr als 10.000 Juden bei der Sklavenarbeit an Rüstungsbauten umgekommen waren. Landsberg repräsentiert damit die Auseinandersetzung um Schuld und Sühne im 20. Jahrhundert wie kaum eine andere deutsche Stadt.
Für seinen Film hat Lutz Hachmeister als erster Zeithistoriker die Landsberger Gefängnisakten im US-Nationalarchiv in Washington erschließen können.
Pressestimmen
„Lutz Hachmeister ist den verschiedenen Geschichten (der Stadt Landsberg) ... nachgegangen. Er hat dazu Quellen und Filmmaterial ausgegraben und erstaunliche Zeitzeugen gefunden. Sein Film ist eine vielstimmige Rekonstruktion, die mit vielen suggestiven Bildern zu fesseln vermag: Der intelligente Schnitt stellt immer wieder die winterlich verschneite bayrische Kleinstadt von heute gegen Aufnahmen aus den Kriegsverbrecherprozessen und aus Lagern.“
(Neue Zürcher Zeitung, 23.1.2002)
„Was diesen Film allerdings besonders wertvoll macht, ist die Lust, die er weckt, sich mit diesem Kapitel deutscher Geschichte zu beschäftigen, mit der Stadt Landsberg, den Menschen, ihrem Leben. Mit dem Milieu und den vitalen Mentalitäten, überhaupt mit der Geschichte der ‚Vergangenheitsbewältigung’ und ‚Vergangenheitseroberung’. Ohne es protzend vor sich herzutragen, entsteht so ein Film, der von der Entdeckerfreude des Autors lebt, ein Film der spektakulär unspektakulär ist.“
(Funkkorrespondenz, 18.1.2002)
„Daran, dass die Musterhaftanstalt Landsberg auch das War Criminal Prison No. 1 der amerikanischen Besatzungszone war, erinnert nun endlich Lutz Hachmeisters Dokumentation. Und wartet mit einer so kühnen wie plausiblen These auf: Hier, im Landsberger Gefängnis, habe die nach den Nürnberger und Dachauer Kriegsverbrecherprozessen einsitzende eigentümliche Melange aus hohen und höchsten SS- und Parteiführern, Industriemagnaten und Funktionären jene Kontakte geknüpft ..., die sie nach den weitreichenden Amnestien Anfang der 50er-Jahre nahtlos in die Führungspositionen der jungen BRD aufsteigen ließen.“
(die tageszeitung, 18.1.2002)