Freundschaft! - Die Freie Deutsche Jugend

 

Dokumentarfilm, 90 Min.

Produktion: HMR Produktion für NDR/WDR/RBB, gefördert durch die Filmstiftung NRW

 

Buch/Regie:

Lutz Hachmeister / Mathias von der Heide

Kamera:

Hajo Schomerus

Redaktion:

Knut Weinrich (NDR), Christian Hinz (WDR), Jens Stubenrauch (RBB)

Schnitt:

Guido Krajewski

Mischung:

Christian Wilmes

Postproduktion:

Ufuk Genc, Janosch Benz

 

Premiere: 22. Juni 2008 auf dem Filmfest München

Erstausstrahlung: 28. Juli 2009, ARD

Wiederholung: 19. April 2012, RBB

 

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie Beste Dokumentation 2009

 

 

 

 

Inhalt

 

„Freundschaft! Die Freie Deutsche Jugend“ zeigt, wie die DDR ihre Jugend verlor. War die FDJ in den frühen Nachkriegsjahren zunächst Auffangbecken für orientierungslose Kriegskinder, so entwickelte sie sich unter der Führung der Honeckers schon bald zum Herrschaftsinstrument der SED. Der Verband war „Pfadfinder-Organisation“ und Mittel zur Indoktrination der DDR-Jugend zugleich.

 

Der Film schildert die Geschichte des Jugendverbandes von seinen Anfängen in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts bis zum Niedergang der DDR. Ehemalige Blauhemden aller FDJ-Generationen erzählen ihre Erlebnisse, die sich – ohne lenkenden Off-Kommentar – in der Kombination mit Archivmaterial und DEFA-Filmen zu einer Gesamtschau über die ostdeutsche Jugend verdichten.

 

Hans Modrow und Wolfgang Seiffert gerieten gegen Kriegsende in russische Gefangenschaft, wo sie zu sozialistischen Kadern herangebildet wurden. 1949 kamen sie zurück nach Deutschland, und Modrow begann in Ost-Berlin seine politische Karriere bei der FDJ. Seiffert ging in die Bundesrepublik, wo er mit Genossen wie Manfred Kapluck die West-FDJ aufbaute. Nach deren Verbot 1951 pendelten die beiden zwischen Ost und West und führten bis zu ihrer Verhaftung den Klassenkampf im Untergrund weiter. Später war Kapluck im Auftrag der FDJ mit der Finanzierung der westdeutschen Studentenzeitung „Konkret“ betraut. Die inneren Auswirkungen des Kalten Krieges in der DDR beschreiben die Schriftstellerin Irene Böhme und der studentische Dissident Horst Herlemann, der 1965 wegen „staatsgefährdender Hetze“ zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.

 

Für die mittlere DDR-Generation steht Lothar Bisky, der 1959 nach dem Abitur auf eigene Faust in die DDR übersiedelte. Die heutige Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann arbeitete als Geschichtslehrerin in der FDJ-Jugendhochschule „Wilhelm Pieck“, die auf dem Gelände der ehemaligen Goebbels-Villa am Bogensee etabliert wurde. Hier studierte auch der aus dem Westen stammende Jungkommunist Adrian Geiges.

 

Über Jugendkultur, Musik und Film sprechen der ehemalige ELF 99 Redakteur Jan Carpentier, der mit seinen Reportagen über die Waldsiedlung Wandlitz in der Wendezeit berühmt wurde und Funktionärstochter Marion Brasch vom DDR-Jugendradio DT64. Die Ostpunks Kai-Uwe Kohlschmidt und Chris Hinze von der Band „Sandow“ und Christian „Flake“ Lorenz von „Feeling B“, der heute bei „Rammstein“ spielt, erklären, wie man als DDR-Jugendlicher rebellieren und abseits der staatlich vorgegebenen Normen leben konnte. Das alltägliche – im Nachhinein amüsante – Abducken und Durchmogeln beschreiben die Schauspielerinnen Anja Kling und Vivian Hanjohr. Letztere war die Hauptdarstellerin in dem seinerzeit unter kritischen DDR-Bürgern vielbeachteten Spielfilm „Erscheinen Pflicht“. Dieser Film wurde wegen seiner „Staatsverdrossenheit“ nach der Premiere „totgeschwiegen“, wie sich der Regisseur Andreas Dresen, seinerzeit Student an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, erinnert. Dresen selbst bekam wegen seines FDJ-Auftragsfilmes „Jenseits von Klein Wanzleben“ Probleme mit der Verbandsführung. Der ironisch gehaltene Studentenfilm über eine „Brigade der Freundschaft“ in Simbabwe konnte nur durch Protektion des Hochschulrektors, Lothar Bisky, fertiggestellt werden.

 

„Freundschaft! Die Freie Deutsche Jugend“ lässt den einzelnen Gesprächspartnern Raum, ihre Jugend im totalitären System zu beschreiben. Ohne in verklärende Nostalgie zu verfallen, gewährt der Film Einblick in Lebensläufe, jugendlichen Übermut und Freizeitspaß, der durch permanente FDJ-Reglementierung gefährdet war. Am Ende suchte sich die Jugend ihre Freiheit jenseits der Grenze. Mit der beispiellosen Massenflucht vom Sommer 1989 brachte sie das DDR-System zum kollabieren. Die gesammelten O-Töne zeichnen diese Entwicklung präzise nach. Auch die Filmausschnitte aus den letzten Sitzungen des FDJ-Zentralrates machen klar, dass die Organisation scheitern musste. Noch heute grübeln Petra Pau und Ex-Zentralratsmitglied Franka Schwuchow, was man hätte besser machen können – während Popstar Flake Lorenz seinem unerfüllten Traum von einer idealen DDR nach der Ära Honecker nachhängt. Zu direkter Widerrede setzt der überzeugte Antikommunist Herlemann an, der fragt, was denn überhaupt gut an der DDR gewesen sei.

 

 

 

 

Pressestimmen

 

Ein großartiger Film, den die Autoren Lutz Hachmeister und Mathias von der Heide da hinlegen. Akribisch recherchiert, schlüssig belegt und in perfekter Dramaturgie erzählt. Und ohne, dass pompöse Off-Sprüche bemüht werden. Es sprechen Zeitzeugen. Es schildert die DDR-Wochenschau. Es erklären Bilder. Das große Sommerloch im Fernsehen? Vergessen!

(Focus, 29.07.2009)

 

Im Jahr des großen Wendejubiläums gehen Lutz Hachmeister und Mathias von der Heide die Aufarbeitung der Geschichte der Freien Deutschen Jugend an, von ihren europäischen Anfängen im antifaschistischen Widerstand der 30er Jahre über das Verbot der West-FDJ im Jahre 1951 bis zum Bröckeln der sozialistischen Systeme am Ende der 20. Jahrhunderts. Dass sie dabei sachlich und lebendig, ganz ohne Polemik und Häme ans Werk gehen können, hat mit dem zeitlichen Abstand wohl ebenso zu tun wie mit einem guten Gespür für komplexe gesellschaftliche und politische Zusammenhänge.

(Süddeutsche Zeitung, 28.07.2009)