Revolution! Das Jahr 1968
Dokumentarfilm, 90 Minuten
Produktion: HMR Produktion im Auftrag des ZDF
Buch/Regie: | Lutz Hachmeister, Stefan Aust | ||
Co-Autoren: | Mathias von der Heide, Christian Wagener | ||
Kamera: | Wolfgang Lindig, Dirk Wojcik | ||
Redaktion: | Werner von Bergen | ||
Schnitt: | Christian Wagener | ||
Ton: | Vincent Muhsik, Axel Jäger | ||
Mischung: | Christian Wilmes | ||
Sprecher: | Frank Arnold, Anke Reitzenstein, Dietmar Wunder | ||
Postproduktion: | Janosch Benz, Ufuk Genc |
Erstausstrahlung: 12. Dezember 2008, ZDF
Inhalt
1968 wurden die deutschen Hitparaden vor allem von einem Sänger dominiert: Heintje. Sein Titel „Mama“ rühmte die alten deutschen Familienwerte. Auch im Revolutionsjahr 1968 spielten die Deutschen Skat in ihrer Eck-Kneipe, sangen im Kirchenchor und träumten vom eigenen Kleinwagen. Fernsehköche priesen die kulinarischen Vorzüge von Tiefkühlkrabben und wiesen interessierte Hausfrauen in die Geheimnisse exotischer Avocado-Salate mit Rinderzunge ein. Heute dominiert der Blick auf das Außergewöhnliche des Jahres 1968 - obwohl die weltweite Studentenrevolte erst verständlich wird, wenn man den Alltag betrachtet, über den plötzlich langhaarige Kommunarden, Drogenfreaks, Anti-Autoritäre, Gewaltbereite und Emanzen hereinbrachen.
Die Grimme-Preisträger Stefan Aust und Lutz Hachmeister lenken in ihrem Film „Revolution! Das Jahr 1968“ den Blick auf das unbekannte 1968. Neben den Bildern von Tet-Offensive, Pariser Straßenkämpfen oder den Black-Panther-Olympioniken Tommie Smith und John Carlos konzentrieren sie sich auf die dahinter fast verschüttete Ereignisdichte des Jahres. Richard Nixon gewann die US-Präsidentenwahl? Bundeskanzler Kiesinger besuchte General Franco in Spanien? Eine Woche später wurde er von einer jungen Aktivistin namens Beate Klarsfeld geohrfeigt? Das alles geschah 1968, als in China die Kulturrevolution tobte, Frankreich in der Südsee erste Wasserstoffbombentests durchführte und die ersten Menschen den Mond umrundeten?
Der Film zieht Bilanz der globalen Kulturrevolution, die nach 1945 mit Beatniks und „Halbstarken“ begann und in der Chiffre „1968“ kulminierte. Bislang kaum gezeigtes internationales Archivmaterial wird durch Zeitzeugen-Interviews und Ausschnitte aus Spiel- und Werbefilmen ergänzt. Wolfgang Joop berichtet über seine Jugend in Braunschweig, die Lähmung in der deutschen Provinz und stellt fest, dass die Revolte nicht besonders gut roch. Aber: „Rechts war nicht sexy“ (Joop). Der aus dem Iran stammende Aktivist Bahman Nirumand feierte Weihnachten in Berlin mit Rudi Dutschke. Er setzte sich einmal gegen den Studentenführer durch und zündete, ganz bürgerlich, ein paar Kerzen zum Weinachtsfest an. Iris Berben genierte sich sehr, als sie bei den Dreharbeiten zu einem Fernsehfilm, der die Kaufhausbrandstiftung von Baader, Ensslin & Co. thematisierte, eine Badewannenszene spielen musste. Die Kasseler Zwillinge Gisela Getty und Jutta Winkelmann avancierten auf ihrem „Weg zur Sonne“, nach vielen gefährlichen Drogenexperimenten, zu den buntesten Vögeln der italienischen Künstlerszene und amerikanischen High Society. Der New Yorker Studentenführer Mark Rudd glitt in den Terrorismus ab. Daniel Cohn-Bendit zog sich, vom plötzlichen Rummel um seine Person erschöpft, aus Paris zurück und ging nach Frankfurt. Die französische Chanson-Sängerin Francoise Hardy fand „1968“ langweilig, weil sie schon zuvor die für sie aufregendere Pop-Szenerie im „Swinging London“ erlebt hatte.
Die Geschichten der einzelnen Protagonisten setzen sich in diesem Film zu einer neuen, verblüffenden Gesamtschau dieses „Jahres ohne Beispiel“ zusammen. Der internationale Aufbruch der Studenten, da sind sich auch Chronisten wie der US-Journalist Peter Arnett und der deutsche Historiker Götz Aly einig, rockte die Welt. Auch wenn die Bewegung, neben allen Verdiensten, zum Teil völlig ungeahnte Konsequenzen hatte - wie zum Beispiel die Jahrzehnte währende Dominanz der Republikaner in den USA.