The Real American - Joe McCarthy

 

Doku-Drama, 95 Min.

Produktion: HMR Produktion in Kooperation mit dem ZDF und arte, gefördert von der Filmstiftung NRW und dem Deutschen Filmförderfonds

 

Buch:

Lutz Hachmeister, Simone Höller

Regie:

Lutz Hachmeister

Regieassistenz: 

Nicole Erksmeier

Kamera:

Hajo Schomerus

Schnitt:

Mechthild Barth

Ton:

Rolf Hapke

Casting:

Sarah Lee

Darsteller:

John Sessions (Joe McCarthy), Justine Waddell (Jean Kerr), Trystan Gravelle (Roy Cohn) u.a.

Zeitzeugen:

Henry Kissinger, Ben Bradlee, Haynes Johnson u.a.

 

Premiere USA: 14. Juni 2011 (Goethe Institute Los Angeles)

Deutschlandpremiere: 30. Juni 2011 (Filmfest München)

Kinostart: 12. Januar 2012

Erstausstrahlung: 27. August 2013 (arte)

Wiederholung: 10. September 2013 (arte)

 

Filmfest München (2011)

Denver Filmfestival (2011)

Filmfestival Montreal (2011)

Jihlava International Documentary Film Festival (2011)

Minneapolis St. Paul International Film Festival (12. April -  03. Mai 2012)

Santa Cruz Film Festival (10.- 19. Mai 2012)

 

 

 

 

Inhalt

 

Der Ausdruck "McCarthyismus" steht heute für Panikmache und jede Art daraus hervorgehender Hexenjagd. Das Dokudrama "Der wirkliche Amerikaner – Joe McCarthy" versucht, den Mann vom Mythos zu trennen, und präsentiert das erste wirklich umfassende Bild eines der frühen Antagonisten der politischen Fernsehlandschaft, seinen Hintergrund und die politische und kulturelle Landschaft, die seinen Aufstieg an die Macht förderten.

 

Der Film zeichnet den kometenhaften Aufstieg des Farmersohns nach, vom frisch gewählten Senator zum "commie"-jagenden Populisten, und schließlich den Mangel an Voraussicht, der ihn in den Medienrummel der "Army-McCarthy-Hearings" trieb.

Geblendet von seiner Begierde "die Nummer eins in Washington" zu werden, nahm McCarthy aussichtslose Kämpfe mit der Armee, dem Außenministerium, der CIA und sogar dem Präsidenten selbst auf – bis diese Mächte, allen voran die CIA, aktive Maßnahmen gegen ihn einleiteten.

 

Als Ergebnis von fünf Jahren ausgiebigerer Recherche fließen Filmaufnahmen aus internationalen Archiven, erst kürzlich freigegebenes Material - darunter Interviews mit den letzten noch lebenden Familienmitgliedern Joseph Raymond McCarthys in seiner Heimatstadt Appleton, Wisconsin - und eine Vielzahl von Interviews mit hochkarätigen Augenzeugen und Medienhistorikern zusammen. So verknüpft der Film Originalmaterial, bisher ungesehene Archiv-Bild- und Filmaufnahmen sowie natürlich in Szene gesetztes dramatisches Originaldrehbuch. Große Namen, unter anderem der frühere Außenminister Henry Kissinger, Pulitzerpreisträger Haynes Johnson, die konservative Bestsellerautorin Ann Coulter, Watergate-Legende Ben Bradlee und Ex-KGB General Oleg Kalugin, stellen ihre Stimmen und einzigartigen Einsichten über den Aufstieg und Fall eines Mannes, der sich nur zwei Jahre vor seinem 50. Geburtstag buchstäblich zu Tode trank, zur Verfügung. Zum ersten Mal spricht McCarthys früherer Mitarbeiter James Juliana in einem exklusiven Interview über seine Zeit mit dem Senator; der emeritierte Harvard Professor Leon Kamin berichtet über seine Erfahrung vor dem McCarthy-Komitee; Schriftsteller und Publizist Sol Stein teilt Bilder seiner Zeit als direktes Ziel von McCarthys Anschuldigungen hinsichtlich seiner Arbeit für die "Voice of America".

 

Der schottische Schauspieler John Sessions ["Gangs of New York", "The Good Shepherd"] und die südafrikanische Schauspielerin Justine Waddell ["The Fall", "The Mystery of Natalie Wood"] mimen Joe McCarthy und seine Ehefrau Jean in Lutz Hachmeisters erstem Spielfilm Der wirkliche Amerikaner – Joe McCarthy. In weiteren Rollen spielen Trystan Gravelle als McCarthys oberster Mitarbeiter Roy Cohn und James Garnon als der junge Senator und spätere Vizepräsident Richard Nixon [beide Schauspieler standen zuletzt für Roland Emmerichs "Anonymous" vor der Kamera].

 

 

 

 

Regisseur Lutz Hachmeister über "Der wirkliche Amerikaner"

 

Senator Joseph McCarthy stellt man sich üblicherweise als einen feisten älteren Mann vor, der Hollywood-Schauspieler und Regisseure verhört, sich mit Bert Brecht anlegt und dem „Ausschuss für unamerikanische Umtriebe“ vorsitzt.

 

All das ist falsch. Joseph Raymond McCarthy aus Appleton/Wisconsin wurde nur 47 Jahre alt. Er starb 1957 an einem Leberleiden und hatte sich in seinen letzten Lebensjahren mit harten Alkoholika zu Tode getrunken. Mit Hollywood, Brecht und dem „House Committee on Unamerican Activities“ (HUAC) hatte er nichts zu tun. Letzteres war dem US-Repräsentantenhaus zugeordnet, McCarthy aber saß seit 1946 für die Republikanische Partei im Senat. Seine ebenso groteske wie pompöse öffentliche Karriere dauerte nur vier Jahre, von 1950 bis 1954. Dann wurde er vom Establishment des Senats wegen unkollegialen Verhaltens gerügt und grummelte in seinen letzten Jahren ohne mediale Beachtung vor sich hin. Die Karriere eines amerikanischen Selfmade-Politikers im Kältesten Krieg also, eines Populisten und Journalisten-Darlings, der schließlich selbst in öffentlichen, vom Fernsehen live übertragenen Hearings gestürzt wird. Eines ist ihm allerdings gelungen: „McCarthyismus“ als politischer Code lebt weiter über sein eigentliches Wirken hinaus. Als politischer Widergänger – man denke an die „Tea Party“ in den gegenwärtigen USA – ist der Typus McCarthy also sehr lebendig und aktuell.

 

Auf McCarthy kam ich vor rund zehn Jahren bei Recherchen und Dreharbeiten für eine Fernsehdokumentation über das Landsberger Kriegsverbrecher-Gefängnis („War Criminal Prison Nr. 1“), in dem nach 1945 Krupp, Flick, Wehrmachtgeneräle, NS-Mediziner und SS-Troupiers einsaßen – und mitunter auf ihre Hinrichtung im Innenhof des Gefängnisses warteten. McCarthy hatte sich mit einer Gruppe anderer Senatoren dafür eingesetzt, den Vorwürfen nachzugehen, dass Angehörige der US Army angeblich oder tatsächlich Scheinhinrichtungen und Folterungen an den SS-Gefangenen verübt hatten. McCarthy war damals noch nicht der Star der antikommunistischen Investigationen, sondern ein ziemlich unbekannter Hinterbänkler im Senat, der verzweifelt versuchte, sich einen Namen zu machen. Außerdem hatte er in Wisconsin wohl deutschstämmige Finanzhelfer und Unterstützer, Industrielle mit Namen wie „Harnischfeger“ oder „Sensenbrenner“. Ich begann, mich mit der Biographie McCarthys zu beschäftigen, eines Bauernsohns und Hühnerzüchters, der dann in Rekordzeit seinen High-School-Abschluss nachgeholt und Jura studiert hatte.

 

2005 kam dann George Clooney’s „Good Night and Good Luck“ auf den Kinomarkt, und ich dachte zunächst, das Thema sei damit erledigt – Clooney und sein Drehbuchautor Grant Heslov hatten sich aber auf den edlen Kampf einiger CBS-Journalisten um Ed Murrow gegen McCarthys Umtriebe konzentriert, der Senator selbst blieb mehr oder weniger im Dunkeln. Wir gingen also mit Hilfe des ZDF, der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen und einiger anderer Förderer einen anderen Weg - eine Kombination aus der Innensicht McCarthys, Zeitzeugenaussagen und Archivmaterial, hochgegriffen, wenn man so will, im Sinne von Flauberts style indirect libre.

 

Dafür bot sich das reizvolle, aber schwierige Genre Doku-Drama an – schwierig deshalb, weil immer von eher billigen Fernseh-„Re-Enactments“ tangiert oder zu didaktisch aufgeladen; beides sollte hier vermieden werden. McCarthys Leben und Wirken ist so sehr vom „paranoid style“ der 1940er und 1950er Jahre geprägt, dass ich auch ästhetisch – bei aller zugrunde liegenden biografischen Chronologie- eher „kollidoskopisch“ (McLuhan) arbeiten wollte. Natürlich gab es für die Spielszenen ein Skript, aber eben kein festes Drehbuch für den gesamten Film (eine Filmförder-Institution, die einen Antrag letztlich anlehnte, hatte übrigens ein solches verlangt). So fuhren wir zunächst nach Kalifornien, wo wir während des ziemlich hippie-esken 90. Geburtstages des Ex-Kommunisten William Marx Mandel drehten, und nach New York, wo das Interview mit Henry Kissinger dann von einer großangelegten Hochhaus-Evakuierungsübung unterbrochen wurde. Im Büro der Washington Post faltete Ben Bradlee, auch schon fast 90 und in „All The President’s Men“ von Jason Robards dargestellt, erst einmal ein paar jüngere Journalisten zusammen (die irgendeiner Anordnung nicht schnell genug nachgekommen waren), bevor er im Interview noch einmal seiner ganzen Ostküsten-Verachtung für eine Figur wie McCarthy Ausdruck gab: „He was just a little jerk“.

 

Das war der Grundkonflikt, der auch heute noch für die US-amerikanische Innenpolitik prägend ist: der Graben zwischen Kalifornien und „Jew York City“ auf der einen, den „real americans“ des Mittelwestens oder Texas und den Südstaaten auf der anderen Seite. Und so agierte auch die frühe CIA mit ihren Harvard- und Yale-Absolventen gegen den strategisch völlig unbegabten und auf kurzfristige öffentliche Erfolge gepolten McCarthy,  der vor allem nicht begriff, dass sich mit dem Sieg von Dwight D. Eisenhower bei den Präsidentschaftswahlen 1952 die Situation der Republikanischen Partei fundamental verändert hatte. „Joe“ aber machte weiter wie bisher, bezichtigte nun auch die Eisenhower-Administration des Verrats und der Schlampigkeit beim Umgang mit verdächtigen Sowjet-Sympathisanten, und als er auch noch frontal die US-Army angriff, wurde klar, dass er über keine Hausmacht verfügte. Nur auf das Getöse in den Medien, auch das wird an seinem Fall klar, kann man sich als Politiker nicht verlassen.

 

Die Spielszenen haben wir schließlich im alten Gerling-Komplex in Köln gedreht, mit einem Cast auch inhaltlich sehr interessierter Schauspieler – John Sessions, unser McCarthy, hatte schon in Robert de Niro’s „The Good Shepherd“ den russischen Doppelagenten Yuri Modin gespielt. „The Real American“ verdankt, neben vielen Anderen, vor allem der Ausstattung (Ausstattung: Ralf Mootz, Kostüm: Lucia Faust, Maske: Delia Mündelein & Horst Allert), der Kameraarbeit (Hajo Schomerus) und der Montage (Mechthild Barth), dass er so amerikanisch aussieht, wie er aussehen muss – wobei nicht verleugnet werden soll, dass der Blick des Regisseurs auf diese Epoche der US-Geschichte natürlich ein europäischer ist und sein soll. Dass der Film in den Vereinigten Staaten Beachtung findet und diskutiert wird, ist allerdings ein wesentliches Kriterium für Erfolg und Wirkung.

 

 

 

 

Pressestimmen

 

Beleg für den Stellenwert des Themas war die Phalanx prominenten Gesprächspartner, darunter immerhin Henry Kissinger und Watergate-Enthüller Carl Bernstein. Der Wahrheitsfindung dienten allerdings vor allem die Menschen aus McCarthys direktem Umfeld, von denen sich einige erstmals überhaupt vor der Kamera äußern. [...]

Bei „Der wirkliche Amerikaner“ ist [Hachmeister] das Kunststück gelungen, den Spielszenen dank Ausstattung, Kostüm und Bildgestaltung einen amerikanischen Look zu geben, McCarthys Werdegang aber dennoch aus europäischem Blickwinkel zu rekonstruieren.

Die Momente zwischen McCarthy und seinen engsten Vertrauten, erst recht aber die Kumpanei mit ausgesuchten Journalisten waren ausgesprochen sinnvolle Ergänzungen zu den zeitgenössischen TV-Ausschnitten von Ausschusssitzungen und anderen öffentlichen Auftritten. Auch in dieser Hinsicht war der Film aktuell.

(Frankfurter Rundschau, 28.08.2013)

 

Zur Ironie der Geschichte gehört, dass McCarthy auf der Bühne unterging, die er genutzt hatte - die der medial vergrößerten bürokratischen Ausschüsse, die er zur Vorhölle der Verdächtigung formte. Hachmeisters Film beeindruckt mit zahlreichen Aufnahmen, die vom Beginn der Live-Ära des Fernsehens und von der medialen Mobilmachung der amerikanischen Politik zeugen. Zeitzeugen treten hervor, etwa der Präsident Eisenhower und der Harvard-Professor Leon Kamin, der selbst Opfer des „McCarthy-Ausschusses“ wurde.
(FAZ, 27.08.2013)

 

Lutz Hachmeister hat den Rechtspopulisten, der im Kalten Krieg als Hexenjäger Karriere machte, in einem Dokudrama seziert. Warum gerade jetzt, mag man spontan fragen, aber die Antwort offenbart sich schnell: Bürgerrechte außer Kraft zu setzen, ist ein aktuelles Thema.

(WAZ, 27.08.2013)

 

The story of Senator Joseph R. McCarthy may seem increasingly like ancient history, but the telling in the Smithsonian Channel’s docudrama “Joe McCarthy: Enemies within” resonates in the present day in a couple of ways.
McCarthy’s bluster and penchant for embellishing the truth or just plain making things up as he hunted for Communists certainly suggest any number of 21st-century television news commentators, and the public seems as willing today as it was in the 1950s to accept at face value what these buffoons say. Also interesting at the moment, though, is what happened when McCarthy sought to investigate the Army, a step that proved to be his downfall. Watching the program, which is to be broadcast at 9 p.m. Sunday, it’s hard not to note that another agency, the F.B.I., stirred up a hornet’s nest in the last few weeks by investigating military personnel.
The program mixes re-enactments with comments by figures who played roles in McCarthy’s big moment or studied it. It’s an unusual collection. Ben Bradlee, the former executive editor of The Washington Post, is heard from, but so is Ann Coulter, the conservative commentator.
(The New York Times, 25.11.2012)

 

The writers Lutz Hachmeister and Simone Holler have shaped it all into a work of impeccable clarity. (…)
No McCarthy documentary in memory has so captured the role of his press acolytes. Reporters admired him, were charmed by him, and they were above all grateful for the inside information he gave them. The film offers testaments from witnesses both living and dead to the ways McCarthy courted reporters.
(Dorothy Rabinowitz, The Wall Street Journal, 22.11.2012)

 

McCarthy, excellent, well researched documentary on the infamous US senator who in the 1950s railed against communism

(Peter Krausz, Vorsitzender der Australian Film Critics Association)

 

Lutz Hachmeister zeigt in seinem Doku-Drama, wie mit Hilfe des FBI und der Medien aus dem politischen Hinterbänkler McCarthy ein sogar vom damaligen Präsidenten Eisenhower gefürchteter Medienpolitiker wird und – wer ihn am Ende wirklich stürzt. [ ... ] Der Film ist eine sehenswerte Verbindung aus fiktionalen Spielszenen, Interviews und zum Teil erst kürzlich frei gegebenem Archivmaterial.

(Die Zeit, 11.01.2012)

 

Hachmeister verwendet neben durchaus gelungen nachgespielten Szenen (mit John Sessions als McCarthy) zahlreiche Gespräche mit Zeitzeugen. „Ein Trunkenbold, ein Lügner, ein Publicity-Süchtiger, der nicht richtig wusste, wovon er redete“, sei der Senator gewesen, sagt der Journalist und legendäre „Watergate“-Aufklärer Carl Bernstein. Die konservative Autorin Ann Coulter hält dagegen: McCarthy habe „Amerika gerettet, bevor Ronald Reagan die Welt rettete“. Schade, dass die echten Experten Henry Kissinger und Ex-KGB-Mann Oleg Kalugin wenig Erhellendes beizutragen haben. Spannend herausgearbeitet ist andererseits die mit Hilfe neu entdeckter Archivdokumente nachgewiesene Überwachung McCarthys durch die CIA: Der Kämpfer für einen überwachenden Staat wurde von seinem Staat selbst überwacht.

(Der Tagesspiegel, 12.01.2012)

 

Die Kombination von zeitgenössischen TV-Aufnahmen und Spielszenen erzeugt ein dichtes 50er-Jahre-Gefühl; man spürt, wie das noch junge Fernsehen die Demokratie nervös umformt zum Marktplatz der Sympathien. Spielszenen und Dokumentarisches sind im Film gut verklammert. [...]

Hachmeisters Film räumt mit der Legende auf, es sei die liberale Presse gewesen, die McCarthy am Ende gestürzt habe. Tatsächlich zog Eisenhower selbst die Strippen, nachdem der inzwischen von niemandem mehr steuerbare McCarthy nicht nur die Regierung, sondern auch Armee und CIA der kommunistischen Unterwanderung verdächtigte.

(Frankfurter Rundschau, 12.01.2012)